Dienstag, 26. Oktober 2010

Wissen und Intelligenz

Es existiere tausende Konzepte der Intelligenz und des Wissens. Meine eigene Theorie hat sich im Laufe der letzten zwei Dekaden gründlich entwickelt. Zuerst war ich fest der Überzeugung: es sei äußerst cool, ein verkörpertes Variant der sowjetischen Großenzyklopädie zu werden (mind. 3 Bände: А, М, Р). Diese Art des Wissens erfordert aber jede Menge Fleiß und gute Lerntechniken (ich war ein Fan von der Mnemotechnik), bringt jedoch relativ anständige Zensuren und "Wow"-Effekte unter wenig geduldigeren Freunden. Das Wissen sollte nach diesem Konzept "all-round" sein: Insektenwelt, Geschichte Babylons, Formel-1-Winner 1998 oder wie man ein Jeansfleck rausbekommt.
Danach kamen andere Interessen hinzu, es blieb wenig Zeit für zwar nützliche, aber in dem Moment wenig vorgezogene (na ja, wenn all dein Freundeskreis in der Disko rumtanzt...) Selbstenwicklungsaktivitäten. Ich habe meine Einstellung zum Wissenmanagement transformieren lassen: Konzentriere dich auf das Spezielle. Wenn ich morgen kein Geld mit Derivatives (oh Gott, wie falsch ich lag!) verdienen werde, dann lerne ich besser Personal oder Lagerlogistik. So in der Art dachte ich. Das Konzept sollte auch mit einer neuen Überzeugung gefestigt sein, dass ich mein Kopf nicht überfordern soll. Warum ich dachte, dass die Speicherkapazitäten im Gehirn, also, die öden Neutronen bei mir auf irgendeine Art eingeschränkt sind? Kranker Gedanke, ein Virus der hedonistischen Lebenseinstellung.
Die Transformation in Bezug auf Wissen erinnert mich an die Lernsysteme der UdSSR und des "Westen". Bei uns hat man in den ersten Studienjahren so viele allgemeine Fächer, dass manchmal intensive Gedanken der (großen) Zeitvergeudung einschleichen. Wozu benötigt bitte ein BWLer Kulturologie oder "Konzepte der aktuellen Naturwissenschaften"? Unter anderem hat man hier im Lande auch ein Fach zur "Selbsterkennung", die von der First Lady eingeführt wurde und ja, einstimmig angenommen. Da ist man mit den disputablen Lehren ihrer spirituellen Gurus beschäftigt (mehr als 50% der Bevölkerung sunnitisch geprägt, bth). An den europäischen Hochschulen, wo ich mal war, ist es ganz anders. Es wird gefordert, das spezielle Wissen auf den Punkt zu bringen. Und Profis einer engen Spezialisierung sind gefragter. Es kann natürlich damit verbunden sein, dass es mit wachsender Wissensqualität der Bevölkerung nötig sein wird, sich von der (durchaus fortgeschrittenen) Masse abzuheben. Und ja, Zeit- und Kostenersparnis!
Zusammengefasst ist es sicherlich besser, einen gesunden Mix von beiden Konzepte zu haben.
Ich kam auf alle diese Gedanken am letzten Samstag, als ich ein Manuskript zur iranischen Geschichte las. Mein Papa saß neben mir und jede zweite Minute musste ich einige Sachen bei ihm klären. (Ja, google ist immer noch gratis und online) Wo liegt die Demarkationslinie zwischen Afghanistan und dem Iran, ist Persien nur Iran und Irak, warum Armenier und Georgier katholisch sind und ihre Nachbarn - Aserbaidschaner zum Islam gehören (und zwar Schiiten!), was war der Grund des Iran-Irakischen Krieges 1990 etc. Ich kann vielleicht nicht so schnell tippen, als ich das ganze Zeug gefragt habe. Und jede Frage von mir wurde beantwortet! Jeder Zusammenhang wurde erklärt. Dabei ist mein Papa sicherlich kein Nah-Ost-Expert, sondern ein überintelligenter normaler Mensch. Und da sah ich, in diesem "allround" Wissen einen großen Aspekt bei der Erziehung (ja, ich interessiere mich schon altersgemäß für diese Thematik :). Kinder, deren Eltern eine hohe IQ besitzen, bekommen das Sicherheitsgefühl. Für alle Fragen gibt es immer eine kluge Antwort oder mind. einen Hinweis, wo eine mögliche Antwort sich verbirgt. Die Stolz auf intelligente Eltern steigt. Die Lust zum Lernen wird geweckt. Und falls das Akku im Ipad oder im Laptop beim Googeln leer wird, geht die Welt nicht unter

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