Freitag, 25. Mai 2012

Amy Chua


Manchmal möchte ich mir verbieten ein weiteres Buch anfangen zu lesen, ohne das vorherige gedanklich abzuschließen und schriftlich zu fixieren. So bleibt sie länger im Gedächtnis, also meine "take home Message" vom Buch. Es ist in der Regel so, dass ich parallel mind. 3 Bücher lese. Chuas autobiografisches Werk zur Kindererziehung hat mir einige Messages hinterlassen. Beim Lesen ertappte ich mir immer wieder, dies oder jenes mit meinen Eltern erlebt zu haben. Nein, ich spielte meine Musikinstrumente nicht 6 Stunden am Tag. In der Musikschule hatte ich eher den Ruf einer Rebellin: was ich uninteressant fand, besuchte ich nicht und mit 6 war dies ein Skandal sowohl für die Lehrer als auch für meine ehrgeizige Mama. Gehorchsam wurde in der normalen Schule praktiziert. Vielleicht auch deswegen war die Musikschule eine Schwachstelle im ganzen Lebensprojekt: absolutes Fehlen der Freiheit in der Schule zwang innere Energie, andere Quelle zu suchen, wo die ganze Frust des schulerischen totalitären Käfigs ihren Ausweg fand. Sport war im Gegenteil etwas Sakrales, das ich nicht zutraute zu berühren, es machte Spaß und ich war viel besser als andere. Chua ist streng und übt die Liebe einer "chinesischen Mutter" aus, was unbedingt zu definieren ist. Liebe hat wie es aussieht zahlreiche Bedeutungen. Liebe der chinesischen Mutter, und das können auch amerikanische, russische oder koreanische Mütter sein, ist eine aktive Sorge für die Zukunft des Kindes. Kinder haben keine freie Zeit, Kinder arbeiten zielgerichtet an ihrer Karriere. Meister werden im wahrsten und härtesten Sinne des Wortes durch endlose Übungen produziert. Das Verhaltenskodex enthält eine schöne Passage, was ich gestern im Buch vom Tiger Woods Trainer fand (sie solle von Woods gesagt werden sein): The second place is a first loser. Es existiert für Chua nur Superlative, die beiden Mädchen ausleben sollten. Chua kritisiert westliche Eltern, die den Kindern viel Freiheit ausräumen. Wie können kleine unerfahrene Kinder begreifen, dass Instrumente oder Mathe ihnen tatsächlich Spaß und Nutzen bringt, wenn sie an die Sache nicht intensiv rangehen? Drillen ist dabei ein Wundermittel. Ich bin mit Chua in zwei Bereichen einig. Zum ersten bin ich mit ihr völlig einverstanden, meine langjährige Lieblingsthese, dass alle Menschen von vornherein extrem faul sind. Das ist in der Natur und muss ausgetrieben werden, wenn man auch damit bis zu seinem biologischen Tod beschäftigt ist. Faulheit ist böse und langlebig. Das zweite, was mir in der Arbeitsmoral von Chua imponiert, ist dass sie Stärke im Kind voraussetzt, und nicht die Schwäche. Zum Beispiel, viele Eltern vermeiden ihren Kindern zu sagen, dass sie die Besten sind. Chinesische Mütter bohren das ins Gehirn ihren Nachkömmlingen tagtäglich ein. Westliche Eltern machen sich Sorgen um das Kind, wenn es herausfindet oder von außen mitgeteilt bekommt, es sei ein schöner Durchschnitt, was in der Realität eher vorkommt. Wie hält es das aus? Nein, denkt eine nicht chinesische Mutter, lieber mit Lobeslied dezent auftreten, gut bist du mein Kind, gut, wie die anderen. Chua kommt gar nicht auf solche Gedanken, ihre Kinder können es nicht feststellen, dass sie mäßige Talente haben, weil es nicht stimmt! Keinen ersten Platz bekommen, keine 1,0 in der Klausur erhalten - na dann hast du dich nicht genug bemüht, begründet Mama dem Kind und schickt es sofort in sein Zimmer, um die fehlende Praxis nachzuholen. Das ist meinem Empfinden nach der größte Unterschied der Erziehungskulturen. Thematisch nachfolgend aber relativ zufällig lese ich über Tiger Woods, der in seiner Kindheit auch nicht in Facebook rumhing. Sein Vater hatte zwar eine andere Philosophie, die Liebe zur Exzellenz zu entwickeln, was aber nicht verhinderte, dass eine schwierige Figur wie Woods stundenlang Golf gespielt hatte. Aber da bin ich noch dran und übrigens mit weiteren zwei Büchern :)

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