Sonntag, 7. August 2011

Das zu perfekte Ich

Wie schön sind WE zu Hause.Es regnet draußen, die Luftfeuchtigkeit ist enorm groß, es duftet nach feuchtem Wetter, meine bestimmt vor 2 Monaten angeschaffene und nicht mal angezündete Duftkerze (heißt ZEN) flackert, ich freue mich auf Iftar (Essen nach dem Sonnenuntergang) beim Thailänder, der Koffer ist bereits gepackt. The Moment of Peace, oder wie medial es sonst heißen mag.

Am Freitag dachte ich an Erwachsenwerden. Der Anstoß dafür war eine Rezension zum Roman von Per Petterson "Ist schon in Ordnung" in der FAZ (übrigens, nach meiner bescheidenen hessisch-snobischen Meinung, die beste Zeitung in der Republik, oder wie mein Mentor schön ausdrückt "ohne Feuilleton-Scheiß"). Eigentlich habe ich an Erwachsenwerden bereits paar Wochen vorher gedacht, als ich mir selber einen 1,5 L Wasserkocher gekauft habe. Wasserkocher ist eine klare Indiz: Aigul, nun geht es ab! Der Virus verbreitet sich, gestern kamen noch zwei Pfannen dazu. Ich werde langsam groß.

Ich merke nun dieses Erwachsenwerden sehr stark. Besonders, wenn Freunde und gute Bekannte auf einmal Geschäftsführer werden. Midlife-Krise solle dann sein, wenn man merkt, dass andere CEOs sind und man selber nicht?..Egal. Krisen, lehrt Islam, sind ein fester Teil des Lebens, also, ruhig bleiben und durchhalten. Meine beste russische Freundin, die souverän eine Firma an dem Ort führt, wohin ich wöchentlich runterfliege, hat mir neulich über einen jungen Mann erzählt und seine Addiktion zum Perfektsein. Er ist unternehmerisch, ist ja logisch ein Vize-Präsident, macht wie verrückt Sport, Muckis und perfekt geformte Adduktoren - alles vorhanden, Kenntnisse in allen Sprachen, die theoretisch Geld und Geschäft bringen können. "Er ist wie aus einem anderen Planet" meinte sie.

Hm, sie sind nicht aus dem anderen Planet. Perfektion ist eine aktuelle, nicht heilbare Krankheit. Das sage ich nicht deswegen, dass ich 10 Hefte von "Psychologie heute" geschafft habe. Das Streben nach besserem ist bloß überall. Wie viele leidende Frauen, die keine "perfekte Mutter" sind, wie viele leidende Töchter, die ihre Pflichte nicht "perfekt" genug erfüllen, wie viele Suiziden, weil die Errungenschaften nicht ausgezeichnet und bisschen mehr sind. In einem Buch las ich neulich einen perfekten Gedanke zum Glück. Der Autor bedauert die Tatsache, dass man das Glück als höchste Lebenspriorität gesetzt hat und als Gegenteil dafür Unglück gewählt hat. Wenn nun auf den Perfektionismus projezierend: wenn man nicht nach Perfektion strebt, ist man automatisch ein Versager, der auch nicht mal schafft, sich selbst zu motivieren. Aber wenn bloß kein Bock? Keine Notwendigkeit?

Die ZEN-Kerze duftet vanil-bllig.
Zwei Stunden bis zum "the sun goes down, the stars come out".

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