Als Abschiedsgeschenk aus meiner alten Wohnung schleppte ich 10 Hefte der Zeitschrift "Psychologie heute" mit. Nach dem siebten geschluckten Heft war ich fest überzeugt, ich könne Therapiestunden geben. Natürlich habe ich mich erst behandeln lassen. Ja, für einen Psychotherapeut könnte ich theoretisch einen soliden Jahresumsatz generieren: hypochondrische Gene sind in mir präsent. Ich ähnele mich doch komplett meiner Mutter! Schon jetzt kann ich mir vorstellen, wie meine Kinder mir verbieten werden, etliche Gesundheitsprogramme anzuschauen. Fast in jedem Artikel, die ich gelesen habe, konnte ich Symptome in mir wiederfinden. Warum berufstätige Frauen sich ausbremsen - ja, passt!; Schlafstörungen - habe ich auch; das Leben der Introvertierten - Stille ist mein best friend; Rabentöchter - Gott, ich muss nicht vergessen, Mama anzurufen; Schönheitswahn - ja, als Nachweis - die Kontoübersicht mit allen Abbuchungen von berühmten Drogerie- und Parfümerieketten, Narzissmus, Essstörungen, Burnouts, Zukunftsängste...
Eine Woche später, als wir auf einen verspäteten Flug warteten, sagte ein Kollege auf die "Psychologie heute" in meinen Händen ironisch blickend: Aigul, pass auf, meine Frau hat dies ein Jahr abonniert, ne ziemlich böse Sache ist dieses Magazin.
Irgendwie glaube ich ihm.